Mitteldeutsche Zeitung 19.September 2024

In der Zuckerfabrik Könnern hat die diesjährige Kampagne früher als sonst begonnen. Was für eine Ernte Landwirte aus der Region Aschersleben erwarten und wo bereits alles geholt wurde.

Landwirt Michael Schneidewind aus Mehringen hat schon seine Zuckerrüben vom Acker geholt. Mit dem Ergebnis ist er sehr zufrieden. Foto: Schneidewind

Von Detlef Anders und Carsten Roloff

Aschersleben/Könnern/mz. Zwischen Schackstedt und Drohndorf gibt es eine nächtliche Ampelregelung neben einem Acker. Landwirt Michael Schneidewind hat die Zuckerrübenernte schon begonnen. Schöne, dicke Rüben liegen am Feldrand. Eine besonders große Rübenernte wird erwartet. Aufgrund der erwarteten Erntemenge hat die Zuckerrübenkampagne statt im Oktober Anfang September begonnen. Doch das hat auch eine andere Ursache.

Nach den trockenen Jahren ist Michael Schneidewind „für den frühen Rodetermin sehr zufrieden“. Nicht nur mit der Menge von 87 Tonnen je Hektar, sondern auch mit dem hohen Zuckergehalt der Rüben von fast 17 Prozent. „Meinen Plan habe ich weit übererfüllt.“ 21 Hektar Anbaufläche hatte der Mehringer. Er ist froh, dass die Ernte schon in der Zuckerfabrik ist.

130 Hektar Anbaufläche hat Landwirt Klaus Kilian aus Drohndorf. „Davon haben wir 13 geerntet“, sagt er. Eine Fläche, auf die er mit schwerer Technik nicht zu jeder Zeit kann. Wann die nächsten Rüben geerntet werden, hänge von der Terminvergabe der Zuckerfabrik ab, sagt Kilian. Sein zweiter Termin ist Mitte November, der dritte Ende Januar/Anfang Februar. Man erwartet in diesem Jahr eine besonders große Ernte, sagt Kilian zum frühen Beginn der Zuckerrübenkampagne.

Die Rüben müssten vor dem Frost gerodet und mit Vlies abgedeckt werden, damit sie darunter nicht schwitzen. Zehn bis zwölf Grad Frost könnten sie aushalten, erklärt Klaus Kilian. Sie könnten auch komplett einfrieren und so abgeholt werden. Aber wenn sie auf dem Acker auftauen, „sind sie Matsch“ weil die Zellwände platzen. Wenn man seine Rüben vorschriftsmäßig gerodet und abgedeckt hat, dann könnte man in solchen Fällen aber auch aus einem Entschädigungsfonds der Zuckerfabrik bezahlt werden, sagt er.

Überschuss in Biogasanlage?

Die Rüben haben diesmal vom Wetter profitiert, weiß Kilian. Die Landwirte hätten aber jetzt ein Schreiben der Zuckerfabrik bekommen. Bis 115 Prozent der vereinbarten Menge würde sie abnehmen, aber mehr wohl nicht. So müssen sich die Landwirte überlegen, was sie mit der in diesem Jahr zu viel geernteten Menge im Vergleich zur vertraglich vereinbarten Liefermenge machen. Kilian berichtet, dass die nicht abgenommenen Rüben in Biogasanlagen gebracht werden könnten, wenn sie diese dann annehmen und dafür aufbereiten können.

16 Hektar, einen Teil seiner Zuckerrüben, hat auch Frank Herrmann aus Klein Schierstedt bereits geerntet. Auch wenn die Zuckerrübenernte viel besser ist als in den Vorjahren, sieht er das Betriebsergebnis nicht im gleichen Maße steigen. „Es wird für die Landwirte weniger rauskommen, weil der Preis abgerutscht ist und noch weiter rutscht“, weiß Herrmann.

Zuckerpreis bereits gesenkt

Am Dienstag wurde bekannt, dass Aldi den Preis für das Kilogramm Zucker von 1,49 Euro auf 89 Cent gesenkt hat und die anderen Supermarktketten ebenfalls den Zuckerpreis senken. „Nur knappe Güter werden in unserer Gesellschaft wertgeschätzt“, meint Frank Herrmann. Aufgrund der zu erwartenden großen Erntemenge habe die Zuckerfabrik in Könnern in diesem Jahr bereits am 4. September mit der Verarbeitung begonnen. Wie Frank Herrmann erklärt, ist das vier Wochen früher als im vergangenen Jahr.

Die Zuckerrübenkampagne bei Pfeifer & Langen am Standort Könnern läuft seit Anfang des Monats. Pro Tag steuern 800 Lkw mit Zuckerrüben von Landwirten aus ganz Sachsen-Anhalt und teils aus Brandenburg Könnern an. Die Verarbeitung der letzten Rüben könne je nach Witterungsverhältnissen bis Ende Februar 2025 dauern, so das Unternehmen. Diese außergewöhnliche Situation erfordere vollen Einsatz von der gesamten Belegschaft und allen am Prozess beteiligten Bereichen, heißt es in einer Pressemitteilung.

„Die Erträge sind deutlich besser als im vergangenen Jahr. Wir haben etwa 70 Tonnen je Hektar geerntet. Außerdem haben die geholten Rüben einen hohen Zuckergehalt“, erklärt auch der Leiter der Agrargenossenschaft Könnern, Carlos Ramperez y Carrasco.

Schäden durch Zikaden

Der ungewöhnlich frühe Start hat auch einen anderen Grund. Das Gespenst des „Syndrom Basses Richesses“ (Syndrom der niedrigen Zuckergehalte) geht um. Es wird durch die Schilf-Glasflügelzikade übertragen. Diese legt ihre Eier im August im Boden von Zuckerrübenschlägen ab. Die geschlüpften Nymphen fressen unterirdisch an Zuckerrüben- und Weizenwurzeln. Nach der Überwinterung beenden die Nymphen ihre Entwicklung im folgenden Frühjahr im Winterweizen. Aus den Weizenschlägen startet der Zikadenflug ab Mai in angrenzende Zuckerrübenfelder, bei dem die Zikade das Bakterium durch das Saugen an den Pflanzen überträgt, heißt es auf einer Webseite zur Krankheit.

Die ersten Symptome werden ab Mitte August sichtbar. Ältere Blätter zeigen Vergilbungen zwischen den Blattadern. Neuaustreibende Blätter sind sehr hell. Der Rübenkörper zeige meist „eine Verbräunung der Leitbündel“ sowie ein glasiges und durchscheinendes Gewebe.

„Die Zuckerrüben müssen wir so schnell wie möglich vom Feld holen, damit die Qualität halbwegs stimmt“, sagt die Chefin der Agrargenossenschaft Beesenlaublingen, Sabine Fischer. Ohnehin haben die feuchten und warmen Wetterbedingungen das Auftreten von Pflanzenkrankheiten, die teils zu einer gummiartigen Konsistenz der Rüben führen können, gefördert – ein Problem für die Verarbeitung.

„Um den Auswirkungen von Rübenkrankheiten entgegenzuwirken, führt Pfeifer & Langen erstmals ein systematisches Insekten-Monitoring von Zikaden in seinen Anbaugebieten durch, die als Krankheitsüberträger eine große Rolle spielen. Daraus können Handlungsempfehlungen für die Landwirtschaft abgeleitet werden. In Könnern werden zudem mit den Landwirten, unterstützt durch Offizialberatung, Wissenschaft und Züchtern, erste Bekämpfungsansätze im Rahmen einer Modellregion erprobt“, erklärt Pressesprecherin Britta Schumacher.

Ein anderes Verladen

Das Problem mit den Glasflügelzikaden kennt Michael Schneidewind nur aus Fachzeitschriften. Er denkt nicht, dass diese bei ihm bereits sind. Doch eine Sache bezeichnet der Mehringer als „komisch“. „Es war schon ein anderes Verladen in diesem Jahr“, sagt er. Die Rüben erschienen ihm brüchiger. Doch vielleicht habe das auch an der Außentemperatur von 30 Grad statt der sonst üblichen fünf Grad im Spätherbst gelegen.